Vereinsgeschichte und Geschichtliches der Abteilung Tischtennis

Auszüge aus der Festschrift zu 100 Jahre OTG

 

Einleitung

Jemand, der 100 Jahre alt wird, hat viel erlebt und kann viel erzählen. Und dies kann unser Sportverein OTG 1902 Gera wahrscheinlich von sich behaupten. Er atmet in seiner Gründerzeit noch den Hauch des 19. Jahrhunderts, durchlebte das gesamte 20. und schickte sich an, auch dem 21. Jahrhundert einen Stempel aufzudrücken.

Der Jubilar hat 2 Weltkriege, eine friedliche Revolution, mehrere Gesellschaftsordnungen erlebt und überlebt und damit bewiesen, dass der Sport mit seiner Vielfalt und Faszination der menschlichen sowie gesellschaftlichen Entwicklung dient und damit eine unentbehrliche progressive Funktion erfüllt.

Die Autoren dieser Festschrift wollen versuchen, die Geschichte des Vereins in Wort und Bild chronologisch dem interessierten Leser darzustellen. Sie erheben nicht den Anspruch auf absolute Vollständigkeit, weil viele Dokumente durch die Wirren der Zeit vernichtet bzw. nicht auffindbar sind und viele verdienstvolle Vereinsmitglieder aufgrund ihres zu frühen Todes als Zeitzeugen nicht mehr befragt werden können.

Weil jede Entwicklung die Handschrift von Menschen trägt, soll auch in dieser Festschrift all den verdienstvollen Vereinsmitgliedern gedacht werden, die an der Gründung beteiligt waren, soll den nicht mehr Lebenden gedacht werden, die den Verein über viele Klippen und Hindernisse geholfen haben und soll den noch heute lebenden Veteranen und den ganz aktuellen Funktionären und Aktiven gedankt werden.

In unserer Ausstellung anlässlich der 100-Jahrfeier liegt ein Ehrenbuch aus, in dem die Namen verdienstvoller Vereinsmitglieder der Vergangenheit und Gegenwart aufgeschrieben sind. Einen Blick in dieses Ehrenbuch und in die Ausstellung überhaupt sollte jeder vornehmen.

 

Geschichtliches

Der neu gegründete Verein hat als ein erstes Hauptziel die Errichtung einer eigenen Haupthalle. Zu diesem Zweck legte man einen Baufonds an, in welchen freiwillige Spenden und Überschüsse aus Veranstaltungen flossen. Diese und 2000 Mark aus der Vereinskasse bildeten den finanziellen Grundstock zum Bau der Turnhalle. Der Verein war inzwischen auf 400 Mitglieder angewachsen, die durch den Kauf von Anteilscheinen ihren Anteil zur Erbauung beitrugen.
Der für den Neubau gegründete Bauausschuss konnte den Baumeister Otto Stahl gewinnen, der sich bereit erklärte, den Bau zu übernehmen und fertigzustellen. Gleichzeitig sicherte er die Finanzierung bis zur Aufnahme einer Hypothek. Die 1.Hypothek (30.000 Mark) übernahm der damalige Bauverein Gera. Am 10.01.1903 wurde ein Grundstück (Größe 6471 m²) zum Preis von 16.177,50 Mark in der Bauvereinstraße gekauft. Aufgrund mannigfaltiger Hindernisse im Genehmigungsverfahren mussten noch ca. 1 1/2 Jahre vergehen, bis endlich am 30. April 1905 die Grundsteinlegung zum Bau der Turnhalle stattfand. Fehlende Geldmittel gestatteten es dem Verein erst 1912, den Ausbau mit Gastzimmer und Abortgebäude fertigzustellen. Trotz des 1. Weltkrieges erlaubte die Turnhalle "Ossel" - der tragende Grundstock des Sportvereins - im Zeitraum bis 1933 große sportliche und kulturelle Ereignisse. Sie entwickelte sich zu einem gesellschaftlichen Zentrum, das von Turn- und Sportgenossen, aber auch Gewerkschaften genutzt wurde. Der kleine Saal, 200 Personen fassend, stand allen Vereinen zu Tanzveranstaltungen und Familienfestlichkeiten offen.


Einige Ereignisse sollen beispielhaft genannt werden:

  • Turnerisch-sportliche Bühnenschau am 18./19.02.1922, veranstaltet vom Ostvorstädtischen Turnverein Gera unter Mitwirkung der »Bundesschule Leipzig« vom Arbeit-, Turn- und Sportbund.
  • Kundgebung zum 1. Mai 1924 in der Turnhalle, anschließend große Maidemonstration in Gera.
  • Der Journalist Karl Grünberg sprach 1928 in der Turnhalle während des großen Textilarbeiterstreiks.


Analysiert man die den Autoren vorliegenden Schrift- und Bilddokumente aus den ersten drei Jahrzehnten des Vereins, kommt man eindeutig zu folgenden Schlüssen:

  • Der Sportverein hat seine Wurzeln in der Geraer Arbeiterbewegung und hat sich durch den Grundgedanken der Solidarität bis zur Gegenwart als solcher entwickelt.
  • Die ersten sportlichen Aktivitäten waren der männliche Kraftsport und vor allem die vielfältigen körperlichen Ertüchtigungs- und Leibesübungen des Turnens für Männer und Frauen.
  • Die Gründungsmitglieder legen großen Wert auf die Verbindung von körperlicher Betätigung, Musik und Kultur. Diese waren und sind noch heute tragende Elemente eines funktionierenden Vereinslebens.

 

Geschichtliches aus der Abteilung Tischtennis

Eine Volkssportart etablierte sich in der BSG-Einheit am 17.03.1951 - der Tischtennis. Die Sektion Tischtennis wurde ins Leben gerufen.

Ihre Wurzeln liegen jedoch einige Jahre zurück. Aus schriftlichen Erinnerungen von Fritz Dittmann, Veteran des Geraer Tischtennissports und 1951 Mitgründer unserer Sektion ist bekannt, dass nach dem 2. Weltkrieg alte bewährte Sportfreunde aus Arbeit-, Turn- und anderen Sportvereinen Geras das sogenannte antifaschistische Sportkartell gründeten. Auf dieser Grundlage ging es von dort an mit dem Tischtennissport wieder aufwärts, obwohl es um Materialien schlecht bestellt war. Fehlende bzw. kaputte Netze mussten teilweise durch Holzbretter ersetzt werden. Wegen Mangel an Bällen wurden Meisterschaften unterbrochen bzw. mussten ausfallen. Ungeheizte Turnhallen taten das Übrige.


Trotzdem war das Interesse für den weißen Zelluloidball ungebrochen groß. Im Jahr 1948 wurden die ersten Kreismeister gekürt. Bald wurde auch der geregelte Punktspielbetrieb wieder aufgenommen. In der Staffel Ostthüringen der Landesklasse bei den Männern ging u.a. auch eine Mannschaft Gera-Ost an den Start. Diese Mannschaft ging anschließend für kurze Zeit in die Union Gera über und wurde schließlich 1951 BSG EINHEIT Gera.

Fritz Dietmann, dessen Ehefrau ebenfalls aktive Tischtennis-Spielerin war und z.B. 1948 erste Frauenkreismeisterin nach dem 2. Weltkrieg wurde, setzte sich insbesondere für die Entwicklung der Frauenmannschaft und des Nachwuchses bei der BSG Einheit ein. Erfolge blieben nicht aus. So konnte die 1. Frauenmannschaft den Sprung in die DDR-Liga schaffen und Einzeltitel ließen nicht auf sich warten. So wurde 1954 Eva Backhaus (geb. Riedel) Kreismeisterin. 1955 eroberten Inge, Marianne und Gerhard Kunstmann drei Weltmeistertitel für Gehörlose im Dameneinzel, Damendoppel und im Mixed.

Der Enkel von Eva Backhaus, Maximilian Amthor, spielt heute in der 2. Jugendmannschaft von OTG. Ein Name ist für die Gründerzeit des Tischtennissports im Verein unbedingt zu nennen: Harry Müller (lebt noch heute in Gera), der im Jahr 1947 Mitglied bei Gera-Ost wurde und in den 50´er und 60´er Jahren einer der erfolgreichsten Spieler bei EINHEIT war und sich in den 80´er und noch 90´er Jahren als Übungsleiter bei Metall Gera zur Verfügung stellte. Den Metall-Zeiten setzten zwei weitere Sportfreunde ihren Stempel auf Günther Seifarth und Winfried Kuhnert. G. Seifarth war über ca. zwei Jahrzehnte aktiver Spieler der 1. Mannschaft und von 1973 bis 1986 Sektionsleiter. W. Kuhnert, auch heute noch aktiver Spieler bei SV Weißenborn, war in der METALL-Mannschaft die Spielerpersönlichkeit. Überhaupt war die Herrenmannschaft, zu der noch die Sportfreunde Peter Eisenschmidt, Jens Tüchel, Hilmar Scherl und Peter Sell gehörten, in den 80´er Jahren eine verschworene Gemeinschaft, die auch in der DDR-Liga erfolgreich spielte.


Nach der Wende, inzwischen hatte seit 1986 Horst Seifarth das Ruder als Sektionsleiter bzw. Abteilungsleiter übernommen, wurde noch zwei Jahre in der Thüringenliga gespielt. Übungsleiter war zu diesem Zeitpunkt noch Harry Müller. Aufgrund des Abgangs von Leistungsträgern wurde die 1. Mannschaft aus der Thüringenliga zurückgezogen. Seitdem spielt die 1. Herrenmannschaft in der 1. Stadtliga, war meist in der vorderen Tabellenhälfte platziert und wurde im Jahr 2000 Pokalsieger im Regionalbereich Ostthüringen.


(korrigierte Fassung, 15.10.2014)